Freudenberg Sealing Technologies (FST) startet mit der ZF Friedrichshafen AG und FlixBus das öffentlich geförderte Forschungsprojekt HyFleet. Bis zum Jahr 2024 wollen die Partner gemeinsam ein leistungsstarkes Brennstoffzellensystem entwickeln, welches die herkömmlichen Dieselantriebe vollständig ersetzt. Darüber hinaus untersuchen die beteiligten Unternehmen die Hybridisierung des elektrischen Antriebsstrangs mit Brennstoffzelle und Batterie.
Wer mit dem Fernbus reist, statt einen Pkw zu nutzen, spart bereits heute auf einer 400 Kilometer langen Fahrt 6,6 Kilogramm CO2 ein. Doch eine praxistaugliche Lösung für den vollständig klimaneutralen Betrieb vom Fernbusflotten im Linienbetrieb fehlt bislang. Grund dafür ist der äußerst anspruchsvolle Betrieb im Busfernverkehr: Ähnlich wie Langstrecken-Lkw sind Busse oft rund um die Uhr im Einsatz und fahren deutlich mehr als 100.000 Kilometer im Jahr. Die Haltezeiten an Zwischenstopps müssen im Interesse der Passagiere minimiert werden. Lange Ladezeiten für die Akkus rein batterie-elektrischer Antriebe sowie die Implementierung der dafür notwendigen kostenintensiven Ladeinfrastruktur sind für die Branche nicht umsetzbar.
Eine Alternative könnte die mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle darstellen, die mit einem elektrischen Antrieb und einem komplementären Batteriespeicher zu einem hybriden Antriebsstrang kombiniert wird. Eine solche Antriebslösung soll nun in einem Förderprojekt zur Brennstoffzellentechnologie erforscht werden. Dazu hat sich ein leistungsstarkes Konsortium bestehend aus Freudenberg, ZF, FlixBus und einem großen europäischen Bushersteller zusammengeschlossen. Die gemeinsamen Forschungsaktivitäten starten nun.
Innerhalb des Projekts entwickelt Freudenberg ein langstreckentaugliches Brennstoffzellensystem, das direkt in einem Demonstrator-Fernbus erprobt werden soll. „Freudenberg wird seine jahrzehntelange Brennstoffzellenexpertise auf Komponenten- und Systemebene in das Projekt einbringen“, erläutert Claus Möhlenkamp, Vorsitzender der Geschäftsführung von FST.
„Wir wollen sowohl die Dauerhaltbarkeit als auch die Effizienz der Technologie maßgeblich weiterentwickeln und damit Maßstäbe setzen für Total Cost of Ownership*.“
Claus Möhlenkamp, Vorsitzender der Geschäftsführung von FST
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt sind die Hybridisierungsstrategien für den Antriebsstrang, das sogenannte „Right-Sizing“ zwischen Brennstoffzelle und Batterie.
Kompetente Partner
Mit der Erforschung von Brennstoffzellen-Hybridsystemen, die gemeinsam mit dem Projektpartner ZF erfolgt, arbeitet FST an einem innovativen Themengebiet mit hoher Relevanz für alle Schwerlastsegmente. „Das breite Technologieportfolio und das Wissen von ZF um den elektrifizierten Antriebsstrang sowie die dazugehörigen Systeme erleichtern schon heute Fahrzeugherstellern den Einstieg in die E-Mobilität. Künftig wird die Brennstoffzelle aufgrund ihrer Reichweite und kurzen Betankungszeiten eine wichtige Rolle in der E-Mobilität für schwere Nutzfahrzeuge spielen“, sagt Wilhelm Rehm, Mitglied des ZF-Vorstandes und verantwortlich für Nutzfahrzeugtechnik und -steuerungssysteme. „Die Elektrifizierung betreiben wir seit jeher technologieoffen – auch die Brennstoffzelle hat für uns von Beginn an eine wichtige Rolle als Antriebslösung eingenommen.“
Damit das Brennstoffzellensystem dem harten Praxiseinsatz im Fernbus gewachsen ist, liegt in der ersten Phase des Projekts HyFleet der Fokus auf der technischen Leistungsfähigkeit der Brennstoffzelle. Das beinhaltet unter anderem die Optimierung des Dauerbetriebsverhaltens auf eine Betriebsdauer von mindestens 35.000 Stunden. Dabei gilt es, die Effizienz des Systems über die gesamte Lebensdauer zu maximieren. Für die Flottenbetreiber macht sich das in einem niedrigen Kraftstoffverbrauch bemerkbar. Am Ende des Projekts soll das neuartige Brennstoffzellensystem von FST in einem vom Bushersteller zur Verfügung gestellten Demonstrator-Bus erprobt werden.
Aus Sicht von André Schwämmlein, Mitbegründer und CEO von FlixMobility, bringt der Partner FlixBus die Sichtweise eines globalen Mobilitätsanbieters in das Projekt ein. FlixMobility mit Sitz in München – dazu zählen die Marken FlixBus, Greyhound Lines und Kâmil Koç im Fernbusverkehr – trage durch die stetige Weiterentwicklung von alternativen Antrieben und nachhaltigen Reisealternativen entscheidend zur grünen Mobilitätswende bei. Zusammen mit über 500 Partnerunternehmen betreibt das Unternehmen bereits jetzt Europas größte Flotte mit mehr als 4.000 Fernbussen im Linienbetrieb. „Die Brennstoffzellentechnologie gibt etwa Busherstellern die Chance, die Zukunft des Reisens aktiv mitzugestalten. Umso mehr freuen wir uns, Teil des HyFleet-Projekts zu sein und gemeinsam mit Freudenberg und ZF bis 2024 den ersten Fernbus mit Brennstoffzellen-Antrieb in Europa zu entwickeln“, so Schwämmlein weiter.
Wie groß die dank der innovativen Brennstoffzellentechnologie erzielten CO2-Einsparungen einer FlixBus-Wasserstoffflotte über die gesamte Energiekette hinweg sind, also einschließlich Wasserstofferzeugung und -distribution, berechnet das gemeinnützige Unternehmen atmosfair.
Signalwirkung
Auch wenn HyFleet sich auf Reisebus-Flotten konzentriert, legen die Projektpartner von Anfang an Wert darauf, dass die erzielten Ergebnisse auf alle Heavy-Duty-Segmente übertragbar sind, insbesondere auf den Güterverkehr mit schweren Lastkraftwagen. Reisebusse könnten aus Sicht von Freudenberg zudem eine Vorreiterrolle beim schnellen Umstieg auf Wasserstoffmobilität spielen: Denn dank der Fernreisebusse wäre die entlang der meistbefahrenen Autobahnen entstehende Tankstellen-Infrastruktur zuverlässig ausgelastet. „Wir brauchen praxistaugliche klimaneutrale Antriebslösungen für den Fernverkehr“, so Möhlenkamp. „Mit unserem Brennstoffzellensystem haben wir eine solche Lösung. Gemeinsam mit unseren Partnern wie ZF und FlixBus erarbeiten wir nun die wissenschaftlichen Grundlagen für eine rasche Industrialisierung und Hochskalierung der Technologie.“ Neben dem HyFleet-Projekt untersuchen ZF und Freudenberg gemeinsam weitere Applikationen zur Entwicklung von Brennstoffzellenlösungen für Mobilitätsanwendungen und den industriellen Einsatz.
DAS HYFLEET-PROJEKT
Das HyFleet-Projekt ist die Weiterentwicklung der bereits 2019 gestarteten Partnerschaft zwischen FlixBus und FST. FlixBus versteht die Notwendigkeit, die bestehende und bewährte Brennstoffzellentechnologie an die Anforderungen des Schwerlastverkehrs anzupassen. Etwa ein Viertel der Gesamtbetriebskosten für Reisebusse entfallen auf den Kraftstoff. Bei Lastwagen liegt die Rate mit etwa 35 Prozent noch höher. Hocheffiziente Brennstoffzellensysteme haben somit einen erheblichen Einfluss auf die Minimierung der Kraftstoffkosten für Flottenbetreiber. „FlixBus schätzt das Technologie-Setup von Freudenberg. Und inzwischen haben wir unsere Aktivitäten mit einem öffentlich geförderten Projekt kombiniert, an dem auch ein europäischer Bushersteller beteiligt ist“, erklärt Michael Milch, Director Sales and Marketing, Freudenberg Fuel Cell e-Power Systems.

SCHWERLAST-BRENNSTOFFZELLEN
Das Projekt HyFleet wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie gefördert. In Phase eins geht es um die Technologieentwicklung expliziter Schwerlast-Brennstoffzellen. Phase zwei zielt auf eine groß angelegte Flottendemonstration mit mindestens 50 Fahrzeugen im Jahr 2025 ab.
Freudenberg ist Konsortialführer und verantwortlich dafür, dass das Hauptziel von Phase eins erreicht wird, die Entwicklung einer Schwerlast-Brennstoffzellentechnologie für den Langstreckeneinsatz – hier ist eine Lebensdauer von mindestens 35.000 Stunden gefordert.
„Die größten technologischen Herausforderungen bei der Entwicklung eines Brennstoffzellen-Wasserstoffbusses besteht darin, dass Lösungen sowohl technisch als auch kommerziell wettbewerbsfähig sein müssen“, fährt Milch fort. „Die derzeit verfügbaren Systeme basieren größtenteils auf der Brennstoffzellentechnologie für Pkw und erfüllen nicht die Anforderungen an die Systemeffizienz und die Gesamtlebensdauer.“ Genau hier setzt Freudenberg als globaler Technologiekonzern an. „Unsere langjährige Industrialisierungserfahrung und unsere hohe Fertigungstiefe einschließlich eigener Katalysatorproduktionen werden in Zukunft den Unterschied ausmachen. Freudenberg ist Zellexperte und in der Lage, Kosten, Qualität und Leistung kontinuierlich zu optimieren.“
Die Umstellung vom Verbrennungs- auf den Elektroantrieb ermöglicht auch Änderungen im Layout der Fahrzeuge. Die Modularität der Brennstoffzellentechnologie bietet diesbezüglich vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Interessante neue Konzepte sind derzeit in der Entwicklung. „Allerdings ist FST kein OEM, unsere Technologie ist für alle Ansätze geeignet und individuell adaptierbar“, so Milch.
In Bus und Yacht an Bord
Die Freudenberg Fuel Cell e-Power Systems GmbH (FFCPS) bietet komplette Brennstoffzellensysteme für emissionsneutrale Schwerlastanwendungen.
Die FFCPS fertigt Brennstoffzellen-Technologien, die künftig in Passagierschiffen, Yachten, Bussen und Lkw mit an Bord sein werden.
Total Cost of Ownership*
Bei der Entwicklung eines batterieelektrischen Reisebusses sind neben der Reichweite auch das Gewicht und die Ladegeschwindigkeit ein bedeutendes Thema. Alle diese Faktoren haben direkte Auswirkungen auf die Total Cost of Ownership. Auch die Kosten und der Platzbedarf für die Betankungsinfrastruktur werden bei dem bevorstehenden Übergang zur vollständigen Klimaneutralität und einer deutlich steigenden Anzahl von elektrischen Nutzfahrzeugen eine wichtige Rolle spielen. Brennstoffzellen haben hierbei klare Vorteile, vor allem im Schwerlastbereich, und dürften die wettbewerbsfähigste emissionsfreie Lösung für Langstreckenanwendungen sein.
Auch die finanzielle Seite gilt es zu beachten: Ein wettbewerbsfähiger Wasserstoffpreis ist die Voraussetzung für ein lukratives Geschäftsmodell der Flottenbetreiber. Die wichtigsten Akteure der Branche erwarten, dass die Total Cost of Ownership bereits vor 2030 mit denen von Dieselfahrzeugen gleichziehen. Traditionelle und neue Marktteilnehmer investieren viel in die Produktion von grünem Wasserstoff, basierend auf klaren Anwendungsfällen und selbstverständlich klaren Gewinnerwartungen.
*Total Cost of Ownership, abgekürzt TCO, ist eine ganzheitliche Kostenbetrachtung von Produkten, Gütern oder Services, die nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch laufende direkte und indirekte Kosten über den kompletten Lebenszyklus hinweg berücksichtigt. Die Kostenbetrachtung bietet wichtige Hilfestellungen zur Beantwortung betriebswirtschaftlicher Fragestellungen wie Investitionsentscheidungen.
[Quelle: www.bigdata-insider.de]